Bill und Tom Kaulitz: "Buh-Rufe spornen uns erst richtig an!
Die Tokio-Hotel-Zwillinge sprechen mit der MOPO über Erfolgssucht und Neider
Ein Ei rollt durch Europa. Verpackt in einem Schwertransporter, der in 32 europäischen Städten Halt machen wird und die bisher spektakulärste Show von Tokio Hotel am Sonntag auch nach Hamburg bringen soll. Das Riesen-Oval ist Zentrum der eigens für die "Humanoid City"-Tour gebauten Bühne, die anmutet wie eine Mischung aus futuristischer Raumsschiffstation und düsterem Metropolis. MOPOP hat mit den Zwillingsbrüdern Bill und Tom Kaulitz (20) vorab gesprochen.
MOPOP: Wie erklären Sie sich, dass manche Deutsche über Tokio Hotel noch immer die Nase rümpfen?
Bill Kaulitz: Ich glaube, dass in Deutschland die Wahrnehmung von Tokio Hotel einfach eine andere ist. Hier leben wir und hier haben wir auch angefangen, und das schon im Alter von 15. In anderen Ländern haben wir zwar mit derselben Musik, aber eben erst zwei, drei Jahre später losgelegt. Es fällt schwer, über seinen Schatten zu springen und zu sagen: "Ja, ich finde Musik von 15-Jährigen gut." Das will sich niemand eingestehen. Und letztendlich ist es auch so, dass man mit dem Erfolg immer Neider hat.
MOPOP: Halten Sie das für typisch deutsch?
Bill: Ja, aber ich glaube, es entwickelt sich immer mehr in die Richtung, dass man sich auch für uns freuen kann. Diese Tendenzen beobachten wir schon. Aber heftige Reaktionen waren eh nie neu für uns. Und ehrlich gesagt, ist es auch immer eine Herausforderung, wenn so was passiert. Wenn ich auf der Bühne stehe, und die Leute buhen oder so, dann ist das in erster Linie Ansporn. Ich werde deshalb nicht schüchtern oder innerlich traurig. Sondern denke: Okay, dann muss ich noch mehr Gas geben, damit das solche Leute auch gut finden.
MOPOP: Dave Grohl von den Foo Fighters soll nach einem Auftritt Ihrem Schlagzeuger Gustav anerkennend auf die Schulter geklopft haben.
Bill: Ja, so ist das. Es gibt andere Bands, die nicht mitkriegen, was in Deutschland passiert, und völlig unvoreingenommen gut finden können, was wir machen. Jay-Z hat sich unsere Show in Los Angeles angeguckt und ging danach mit uns essen. Da fühlt man sich schon geehrt, wenn so jemand Interesse zeigt.
MOPOP: Macht es Ihnen Angst, dass der Erfolg Ihren persönlichen Freiraum weiter einschränkt?
Bill: Das ist eine Sache, die mit dem Erfolg immer mitkommt. Aber wir sind auch ein bisschen erfolgssüchtig. Man will immer noch mehr. Auch wenn viele Leute uns mittlerweile raten, dass wir uns ein Land übrig lassen sollten, wo wir mal Urlaub machen können, weil uns da keiner kennt.
MOPOP: Führen Sie also ein humanoides, also nur menschenähnliches Leben?
Tom Kaulitz: Wir sind in der tiefsten Provinz aufgewachsen. Wir haben uns nie richtig normal gefühlt, immer maximal menschenähnlich. Es gibt auch heute bei uns nur ganz wenige Orte, wo man sich überhaupt vertraut fühlt und entspannen kann. Weil es eben auch nur noch ganz wenige Momente gibt, in denen es möglich ist, runterzukommen. Eigentlich stellt sich das Gefühl des Vertrautseins für uns nur noch zu Hause ein. Da sind wir vielleicht 20 Tage im Jahr. Und ansonsten fühlt man sich überall, wo man hinkommt, eher so ein bisschen fremd. In gewissen Situationen weiß man oft gar nicht so richtig, was man da eigentlich verloren hat."
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