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Der Kampf gegen das Schrei-Image


Sie gehören zu den ganz wenigen deutschen Rockbands, die auch im Ausland bekannt sind: Tokio Hotel positioniert sich zunehmend auf dem internationalen Markt. In Deutschland läuft es vor der in Luxemburg beginnenden Europa-Tour aber nicht rund.
Trier/Esch. Die Konkurrenz ist auch nicht mehr das, was sie mal war. So dürfte den vier Jungs von Tokio Hotel in den letzten Tagen die Lust auf eine Laugenbrezel vergangen sein. Das ist der neueste Rivale: eine profane Brezel, goldbraun gebacken. Marktwert: vielleicht 75 Cent. Im sozialen Netzwerk "Facebook" hatte ein Österreicher kürzlich eine Fan-Gruppe eröffnet mit dem Bild der Brezel und dem Titel "Kann diese Brezel mehr Fans haben als Tokio Hotel?" Schon nach zehn Tagen hat sie über 400 000 Fans gefunden. Damit hat die Brezel mehr Anhänger als die offizielle Seite von Tokio Hotel. Ziel erreicht.

Das sagt viel über Domino-Effekte in Netzwerken aus. Aber auch darüber, wie stark die Band um die Zwillinge Bill und Tom Kaulitz polarisiert. Viel Feind, viel Ehr? Ganz so einfach ist das im Fall Tokio Hotel nicht. Die Band findet sich zwar alle paar Tage in den Boulevard-Magazinen und Großletter-Blättern des Landes wieder. Darin geht es um Luxus-Urlaub auf den Malediven, um angebliche (und wohl frei erfundene) Liebschaften, manchmal auch um aufstrebendes Laugengebäck. Nur um Musik geht es selten.

Das alles mag zwar die Prominenz von Tokio Hotel hochhalten. Aber auf Albenverkäufe hat es keinen wirklichen Einfluss: Nur die treuen Fans haben das im Oktober weltweit erschienene Album "Humanoid" gekauft. Das zeigt die Band von einer erwachsenen Seite. Musikalisch vielseitig, ziemlich glatt zwar, aber nun wirklich nichts, was nach Hass oder Verachtung schreien würde. Das Album hat in Deutschland bisher noch nicht einmal Gold-Status erreicht und stürzte in den Charts bereits in der zweiten Woche nach Erscheinen von Platz eins auf 25.
Das ist das Problem, das die Band zumindest in Deutschland hat. Der Image-Wechsel, das Erwachsenwerden, eine gewisse Reife - das ist in der öffentlichen Wahrnehmung nicht angekommen. Die Marke "Teenie-Truppe, vergöttert von kreischenden Achtklässlerinnen", wird zum Stigma. Auch die Fans der ersten Stunde sind mittlerweile vier Jahre älter. Dagegen sein - das ist der Konsens.

Das mag ein Grund sein, warum die Band die Priorität zunehmend auf den internationalen Markt legt. So gibt es praktisch keine deutsche Band, mit Ausnahme von Rammstein, die auch im Ausland die mittelgroßen und großen Hallen halbwegs füllen kann. Tokio Hotel schafft das. Ein Blick zurück: Als Tokio Hotel im Februar 2006 zum ersten Mal in der Arena Trier spielen, herrscht Ausnahmezustand. Nicht nur für die Sanitäter und Notärzte. Reihenweise klappen junge Fans zusammen. 240 Teenies müssen behandelt werden - fast ausschließlich Mädchen. Bei der Rückkehr nach Trier ein Jahr später war die Situation schon deutlich entspannter.

Innerhalb von zwei Monaten stehen für die Band 30 Konzerte an. Sieben davon in Frankreich. Aber nur zwei in Deutschland, in Oberhausen und Hamburg. Wer dachte, bei einer solchen Verknappung in der Heimat wären die Karten ruckzuck weg, lag daneben. Eine ausverkaufte Halle wird für Tokio Hotel im Jahr 2010 die Ausnahme sein. Auch der Auftakt in Esch ist nicht ausverkauft.

Thomas Roscheck, Marketing-Direktor der Rockhal, erwartet rund 5000 Zuschauer. Platz wäre für 6500. Laut Roscheck dürfen sich die Fans auf eine große Show-Produktion freuen. "Sicher mit weniger Feuer als bei Rammstein und ohne Trapez-Einlagen wie bei Pink", sagt er mit Bezug auf zwei Groß-Ereignisse der Halle in der jüngeren Vergangenheit. Und eins braucht's diesmal wohl nicht in der Rockhal: einen Brezel-Verkäufer.
Karten gibt es in den TV-Service-Centern Trier, Bitburg und Wittlich.

Extra
Mädels campen in Esch: Auch wenn der Vorverkauf für das Konzert schleppend läuft, für einige Fans sind sie immer noch die Größten: Um bei dem Start der Europatournee von Tokio Hotel am Montagabend ganz vorne sein zu können, haben bereits mehrere Dutzend Mädchen ihr Lager vor der Konzerthalle "Rockhal" im luxemburgischen Esch aufgeschlagen. "Es sind inzwischen schon 19 Zelte", sagte Rockhal-Mitarbeiterin Katia Brancatelli am Freitag in Esch/Alzette. Die campierenden Fans seien zwischen 16 und 38 Jahre alt und stammten aus Belgien, Frankreich, Luxemburg und Deutschland. (dpa)


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